I.

Svevedeshusun.

Am Zusammenfluß der Aa und der Werre entstand um 822 das Benediktinerinnen-Kloster Herford1), dessen Äbtissinnen nach und nach die Rechte eines Reichstandes erlangten. In Anlehnung an diese Abtei bildete sich bis um 1200 die Stadt Herford als selbständiges Gemeinwesen aus. Mächtig wuchs die Abtei Herford heran. Schon bald, um 860, hatte sie durch die Freigebigkeit der karolingischen Herrscher, welche Herford als eine Gründung ihrer Familie königlich ausstatteten, einen Güterbesitz, der sich "vom Waizagawi (Wessagau) an der Weser an Nord- und Südabhang des Osning durch die Gaue Threcwiti und Sutherbergi hin zur Ems in die Gaue Bursibant und Scopingus, dann zur Lippe in die Gaue Dreini und Berectra und endlich selbst zum Rheine in den Angeresgau hin ausdehnte" (Darpe). Freilich war dies kein zusammenhängender Besitz. Hier und dort in dem weiten Gebiet verstreut lagen Besitzungen und Höfe verschiedenster Art der Abtei Herford.

Hin und wieder aber, zumal in der Nähe der Abtei selbst, finden sich größere Besitzkomplexe. Ein solcher war das Amt oder

"officium" Selingwörden2),

dicht bei Salzuflen. Wann dieser Besitz an die Abtei Herford gekommen ist, wissen wir nicht genau. Jedenfalls vor 1051 schon hatte die Abtei Herford nachweislich Besitzungen in Salzuflen und in dessen Umgebung. Denn in diesem Jahre konnte Bischof Bernhard von Paderborn eine Schenkung der Äbtissin Godesdia (993-1040) bestätigen, welche das von der Abtei gegründete "Stift auf dem Berge" mit Gütern in Salzuflen ausgestattet hatte (W.U.B. I 117 II). Anzunehmen ist, daß die Güter um Salzuflen, auch wohl also das officium Selingwörden, aus Stiftungen sächsischer Edler an die Abtei herrührten.

Eine genaue Aufführung der Besitzungen, die zu diesem officium Selingwörden und Seringwurthen, wie es in der ältesten uns erhaltenen Heberolle der Abtei Herford3) vom Ende des 12. Jahrhunderts heißt, führt außer dem Haupthaus des villicus folgende Guts- und Bauernschaftsnamen auf:

Svevedeshusun,

Widereshusun (Widerdissen), Saltou (Solte), Suttmereshusun (Südmersen), Wedegthorp (Wentrup), Westerenthorp (Westorf), Adelelbernecthorp (Alberdingtorp), Brede (Breda), Marcthorp (Matorf), Welestincthorp (Welsdorf), Pynthelon (Pehlen), Hethereshusun (Hellerhausen), Uflon (Uflen), ferner in Saltuflon selbst einen Teil der Gemarkung Uflen an der Salze. Später, 1333, gehörte außerdem noch dazu: Ricbrachtincthorpe4) (Ribbentrup), das vorher dem Amte Breda unterstand.

Das 1333 unter den zum officium Selingwörden gehörenden Gütern aufgeführte "Svevedeshusun" oder Schwabedissen nahm bald eine eigene Entwicklung. Es muß

eine sehr alte Siedlung

gewesen sein, denn nach Jellinghaus5) gehören die Orte auf husun zu den ältesten germanischen Ansiedlungen dieser Gegend (etwa um 1000 v. Chr. schon)6), und zwar war dies husun = Haus in Ost- und Südwestfalen die Bezeichnung für einen aus mehreren Höfen oder aus einem Haupthofe nebst abgezweigten Nebenhöfen bestehenden Wohnsitz. Svevedeshusun könnte danach "Haus oder Höfe des Svevo" bedeuten.

Ende des 12. Jahrhunderts hatte die villication Seringwurthen noch Besitzrechte in Svevedeshusun, das damals an Abgaben7) "27 modios brasii, 5 modios avene, malder, porcum et ovem, 4 karatas ligni" zahlen mußte. Auch im 13. Jahrhundert mußte Levolt de Suavedissen8) noch an das Amt Seringwurthen zahlen (3 modios sil., 27 bracei, 5 av., porcum, ovum 4 plaustra lignorum).

Im Jahre 1333 ist mit Svavedissen belehnt Gerhardus de Hagen9). Auch jetzt gehört es noch zum Amte Selingwörden. Jedoch schon das Lehnsbuch der Äbtissin Liudgard (1324-1360) verzeichnet verschiedene einzelne Güter des alten officium Seligenwörden, mit denen Tydericus de Exterde belehnt ist, darunter auch die "curia in Swavedissen", den

Meierhof zu Schwabedissen10).

Nach Dietrichs Tode wurde sein Bruder Johann de Exterde mit den Gütern belehnt, so auch mit Schwabedissen. Dieser Johann de Exterde scheint auch Johann de Swabedissen genannt worden zu sein und ist wohl identisch mit einem Johann von Schwabedissen, der 1333 mit Land in Uffenstrot11) belehnt wurde. Aus dem Amte Seligenwörden war Schwabedissen, jedenfalls der größere Teil, ausgeschieden und unterstand selbständig der Abtei.

Nach dem Tode des Johann de Exterde wurde 1366 Gerwinus de Exterde mit Schwabedissen und den anderen Exterdeschen Gütern belehnt. Gar bald aber haben die von Exterde Schwabedissen aufgegeben, während sie mit anderen Gütern des Amtes Seligenwörden, so 1506 noch mit Pehlen und den Zehnten zu Sudmersen belehnt blieben.

Mit den Exterdes hatten auch die von Hagen Anteil an Schwabedissen, 1333 wird Gerhardus de Hagen erwähnt. Später ging der ganze Meierhof an dieses Geschlecht über. Im Jahre 1361 wird Henricus de Hagen in Uffeln mit der curia in Swabedissen12) belehnt. Auf ihn folgte 1365 sein Bruder Matthäus de Hagen, der "curiam et mansum in Swabedissen"13) im Kirchspiel Schötmar zu Lehen erhielt. 1395 heißt es im Lehnsregister14):

"Matheus de Hagen dato equi cum sella et freno r. bona fratris Henrici ad ipsum devoluta, nominavit bona to Swabedissen et alios agros, quorum 5 dixit iacere super Wellebroke etc." 1416 finden sich Henricus de Hagen und sein Bruder Matheus15), Söhne des Matheus, 1443 Henricus van Hagen16).

Der Meierhof zu Schwabedissen befand sich dann im Jahre 1473 in Händen des Friedrich de Wend, der den Müller Cord Hardemann zu Ufflen und die Homodesche damit bemeiert hatte. Im gleichen Jahre noch erhielt ein Matheus Lambertink17) den Meierhof Swaffdissen vom Stifte zu Lehen. Die Familie Lambertink stand schon vorher im Lehnsverhältnis zur Abtei Herford. So hatten 1338 Ludolfus Lambertink, 1346 Johann Lambertink im officium Ubbinctorpe Höfe in Horstmere zu Lehen18), Lubbertus Lambertink war 1451 mit Ländereien bei Lemgo belehnt19). Lange saßen die Lambertinks nicht auf Schwabedissen. Schon 1487 wurden Dethardus Schutte und Johann Moller (Molner) "oppidani oppidi Uffelensis" mit dem Meierhof zu Schwabedissen je zur Hälfte belehnt.

Tafel 2
Dethard Schutte 1489.
Staatsarchiv Münster: Mskr. VII 3325 d fol. 17 b.

"Ad resign. Mathäi Lambertink curiam in Swabedissen in comitatu Lyppiensi receperunt in feudum

Dethardus Schutte

et Joh. Moller oppidani oppidi uffelensis," so verzeichnen die Lehnsprotokolle20) der Abtei unter dem Jahre 1487. Damit findet sich auf dem Hofe Schwabedissen, zunächst sich in den Besitz mit den Moller teilend, das Geschlecht, dem die späteren Meyer zu Schwabedissen entstammten, die Schutte.





Zum Vorwort Zum Kapitel II.





Allgemein siehe: Dr. Franz Darpe: Einkünfte und Lehnsregister der Fürstabtei Herford sowie Heberollen des Stifts auf dem Berge bei Herford, Cod. Trad. Westf., Bd. IV, Münster 1892.

1) Über Abtei und Stift Herford vgl. Jul. Hermann: Herforder Chronik, Herford 1910. - Prof. Dr. H. Tümpel: Politische Geschichte Ravensbergs (in Minden-Ravensberg unter der Herrschaft der Hohenzollern), Bielefeld 1909, S. 2. - C. Schwettmann: Beiträge zur Geschichte der Abtei und Stadt Herford 1889. - Dr. jur. A. Cohauß: Herford als Reichstadt und papstunmittelbares Stift am Ausgang des Mittelalters in: XLII. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg. Bielefeld 1928. - W. Hoffbauer: Studien zur älteren Geschichte der Abtei Herford, Westf. Zeitschrift, Bd. 20, S. 23-93. - Johanne Heinecken: Die Anfänge der sächsischen Frauenklöster. Dissertation. Göttingen 1909. - Georg Fink: Standesverhältnisse der Frauenklöster in der Diözese Münster und in Herford. Dissertation. Münster. - Fr. Vormbaum: Die Grafschaft Ravensberg und die Stadt und die vormalige Abtei Herford. Leipzig 1864. - Dr. Karl Rübel: "Die Franken, ihr Eroberungs- und Siedlungssystem im deutschen Volkslande". Bielefeld 1904. - Dipl.-Volkswirt Wilhelm Schinkel: "Die wirtschaftliche Entwicklung von Stadt und Land Herford". Bünde i.W.1926.

2) Über das Amt Seligenwörden vgl. Dr. Joh. Heinr. Meyer: Das Amt Seligenwörden (Wissenschaftliche Beilage zum XXXI. Jahresbericht Ostern 1927 der Städt. Realschule zu Bad Salzuflen).

3) Staatsarchiv Münster: Mskr. VII 1316 c fol. 4 b (Darpe S. 25).

4) vgl. Stammfolge des Geschlechts Ribbentrop im 1. Lippischen Sonderbande des Deutschen Geschlechterbuches.

5) H. Jellinghaus: Die westfälischen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern (3. verbesserte Auflage). Osnabrück 1923, S. 111.

6) G. A. Krebs: Besiedlung und Bevölkerung Westfalens zur späteren Bronzezeit und frühesten Eisenzeit (etwa 1000-700 v. Chr.) in: Fünfter Bericht des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld und Umgegend. 1922-1927, Bielefeld 1928, S. 252 ff.

7) Staatsarchiv Münster: Mskr. VII 1316 c fol. 4 b (Darpe S. 25).

8) ebd. VII 3321 a p 12 (Darpe S. 70).

9) ebd. VII 3324 A fol. 20 a (Darpe S. 109).

10) ebd. VII 3325 a fol. 5 a (Darpe S. 163).

11) Uffenstrot: Staatsarchiv Münster: Mskr. VII 3324 A (Darpe S. 105).

12) Staatsarchiv Münster: Mskr. VII 3325 b fol. 100 (Darpe S. 198).

13) ebd. fol. 35 a (Darpe S. 202).

14) ebd. fol. 46 a (Darpe S. 213).

15) ebd. fol. 67 a (Darpe S. 231).

16) ebd. Mskr. VII 3325 a fol. 3 b Lehnsbuch der Äbtissin Margarete von Gleichen, 1443-1475 (Darpe S. 248).

17) ebd. fol. 34 b (Darpe S. 261).

18) ebd. Mskr. VII 3324 A fol. 21 b (Darpe S. 115).

19) ebd. fol. 20 b (Darpe S. 255).

20) Staatsarchiv Münster: Mskr. VII 3325d fol. 10 a (Darpe S. 268).





Zum Vorwort Zum Kapitel II.